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"Neuausrichtung der vorschulischen Sprachförderung": oh, wie traurig



Mit zweifelos guter Absicht verkündet  Niedersachsens Kultusminister Grant Hendrik Tonne: „Wir möchten den Stellenwert der Bildungsarbeit in Kindertagesstätten in den Blick rücken und Kinder dort fördern, wo sie sich tagtäglich aufhalten: im pädagogischen Alltag der Kindertageseinrichtungen" Na toll. Mit kleien Kindern reden, da, wo sie sind: in der Kita. Daran ist absolut nix neu. Geredet wird schon lange. Mit immer gleichbleibend schlechtem Erfolg unter dem Motto: Wir reden weiter, wie uns alltäglich der Schnabel gewachsen ist. Das reicht auch bei Kindern, die sowieso normal schwätzen lernen. Bei denjenigen, die Probleme in der Sprachentwicklung haben, reicht "normal" reden nachweislich nicht.

Doch das beruhigt Wähler und Erzieherinnen: Wir wollen gar nix neu machen. Seid ganz stille. Wir unterstützen euch im Weiter-So. Minister Tonne: „Ich betone ausdrücklich, dass die Kita-Fachkräfte sich keine Sorgen zu machen brauchen, wir erfinden keine neue Aufgabe!" Das beruhingende Weiter-So hat auch einen Namen: "Der alltagsintegrierte Ansatz der Sprachförderung holt die Kinder dort ab, wo sie sind." Alltagsintegrierte Sprachförderung ist das Wort des Tages/Jahres/Jahrzehnt. Heißt: Wir reden mit den Kindern überall und immerzu und das ist gut so. Wir müssen nicht mehr reflektieren, ob das dem Kind gemäß ist.Wir als Sprachvorbild können immer so weiter brabbeln, wie uns der Schnabel gewachsen ist, ganz normal also.

Einziges Manko: Kinder mit Schwierigkeiten der Sprachentwicklung profitieren davon gar nicht, auch dann nicht, wenn wohlwollend Millionen von Euro ins System gekippt werden, neue Stellen gechaffen werden und neue Erzieherinnen dieses unseelige Dogma verinnerlichen: Sprache wird sich schon entwickeln, wenn wir reden, wenn wir nur zahlreich genug sind. Alle anderen wissen: Wir müssen uns ändern, reflektieren, gute Sprachvorbilder sein. Das geht allerdings nicht von selbst. Sprachförderung braucht zwar gute personelle Bedingungen, aber dringend auch ein nachhaltiges Konzept der Sprachförderung.

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