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Einäugige Wahrnehmung bei der Suche nach begabten Kindern




In puncto Chancengleichheit liegt Deutschland im OECD Vergleich noch weit zurück. Immerhin schneiden sozial benachteiligte Schüler in Deutschland in der PISA-Studie immer besser ab. Gleiche Chancen auf Bildung haben sie deshalb noch lange nicht: Deutschland liegt unter dem OECD-Durchschnitt. Immer mehr Schüler aus bildungsschwachen Elternhäusern zeigen in der PISA-Studie solide Leistungen. Der Anteil sozial benachteiligter Jugendlicher mit guten Ergebnissen im Test stieg auf 32,2 Prozent. Und interessant im Zuge der aktuell hitzigen Debatte über die Ausstattung der Schulen mit Computern: Faktoren wie der Klassengröße und Computerausstattung misst die Studie geringere Bedeutung bei. Besonders förderlich sind dem Lernerfolg hingegen das Schulklima und die soziale Mischung: Sozial benachteiligte Schüler profitieren vom gemeinsamen Unterricht mit privilegierten Klassenkameraden. Wenn Lehrer nicht zu häufig wechseln und an der Schule offene und vertrauensvolle Kommunikation herrschen, wirkt sich dies positiv auf die Leistung aus.

Aber wie gut ist die Wahrnehmung der Erwachsenen? Wie gut identifizieren sie begabte Schüler? Antwort: Schlecht. Einäugig. Das zeigt eine kürzlich bei PNAS publizierte Studie, bei der zur Begabungsprüfung statt der "normalen Beurteilungsprozesse" ein Intelligenztest herangezogen wurde. Drei Ergebnisse werden hier zusammengefasst: 1. Sobald zur Begabungsmessung der IQ hinzugezogen wird, steigt die Anzahl der Kinder, die eine Berechtigung zur Begabungsförderung haben, drastisch an. 2. Unter den neu identifizierten, also sonst nie entdeckten Schülern waren überproportional viele mit armen Eltern, Afroamerikanern und Hispanos. 3. Die Verteilung der IQ Werte unter den zusätzlich als begabt identifizierten Schülern entsprach absolut der Verteilung der mit traditionellen Methoden ausgewählten Schüler, d.h. unter ihnen befanden sich durchaus hochbegabte Kinder und nicht nur solche, die gerade eben den Grenzwert überschritten. Tragisch, oder? Wir dürfen uns also bitte nicht auf "Bauchgefühle" verlassen. Sonst droht sozial ungerechte, einäugige Wahrnehmung, selbst wenn man sich davon frei fühlt.

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