Unter dem Titel "Visible Learning" veröffentlichte der neuseeländische Bildungsforscher John Hattie 2008 die Ergebnisse seiner umfangreichen Metaanalyse, in der er hinterfragte, welche Faktoren entscheidend für den Lernerfolg der Kinder in der Schule sind. Inzwischen ist die Studie längst auch auf deutsch erschienen. In zahlreichen Vorträgen und neueren Publikationen ergibt sich folgendes Bild (ultrakurz zusammengefasst):
- Was schadet? Sitzenbleiben, Fernsehen und Sommerferien.
- Was hilft nicht und schadet nicht? Offener Unterricht, jahrgangsübergreifender Unterricht, Team Teaching.
- Was hilft ein wenig? Klassengröße, finanzielle Ausstattung, Hausaufgaben.
- Was hilft ein wenig mehr? Zusatzangebote für Leistungsstarke, kooperatives Lernen, direkte Instruktion.
- Was hilft besonders gut? Lernstrategien, Feedback, Unterrichtsqualität.
Da scheint ganz aktuell der Wind aus einer ähnlichen Richtung zu blasen: Mehr Geld für die Schulen? Kleinere Klassengrößen? „Das hat herzlich wenig Effekt auf die Qualität der Bildungsergebnisse“, sagt Ludger Wößmann. Er ist ein Bildungsökonom und arbeitet am Ifo-Institut in München. Er will mit empirischen Forschungsarbeiten und internationalen Vergleichen herausfinden, welches Bildungssystem wirklich zu besseren Schülerleistungen führt. Sein Urteil hat er aus großen internationalen Studien abgeleitet. Kennen Sie die Berufsbezeichnung "Bildungsökonomie"? Sollte man eigentlich. Die Bildungsökonomik (auch Bildungsökonomie) gibt es als volkswirtschaftliche Disziplin etwa seit 1955. Folglich ist der Artikel in der FAZ auch im Wirtschaftsressort angesiedelt.
Zwei Haupterkenntnisse (oder Thesen?) von Wößmann: Es sei wichtig, dass die Schulen in
Deutschland mehr Autonomie und Freiheit bekommen, damit es mehr
Wettbewerb gibt; gleichzeitig müssen aber die Schülerleistungen durch
landes- oder bundesweit gleiche Abschlussprüfungen kontrolliert werden.
„Ein höherer Anteil von Schulen in freier Trägerschaft, also mehr
Wettbewerb, führt zu besseren Bildungsergebnissen, das zeigen
internationale Vergleichstests“. „Ich will erforschen, wie wichtig Bildung für den wirtschaftlichen
Erfolg des Einzelnen und ganzer Gesellschaften ist“, sagt er der
Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
In großangelegten
internationalen Vergleichsstudien hat er gezeigt (und da liegt sein Schwerpunkt doch auch einem ganz anderen Feld als bei Hattie), dass ein sehr enger
Zusammenhang zwischen mathematischen und naturwissenschaftlichen
Kompetenzen und dem Wohlstand in einem Land besteht. „Das ist ein extrem
starker, vielleicht der wichtigste Prediktor für das Wohlstandsniveau“,
sagt er. Einfacher ausgedrückt: Länder mit guter Mathe-, Physik-,
Chemie-, Bio- und IT-Bildung werden reich, bei einem schwachen
naturwissenschaftlichen Bildungsniveau bleibt man arm.
Nach wie vor gebe es zu wenig Chancengleichheit und einen zu starken
Zusammenhang zwischen Bildungsgrad der Eltern und Bildungserfolg der
Kinder, sagt Wößmann. „Wichtig ist,
dass Chancengleichheit nicht auf Kosten der Leistungsorientierung geht.“
Eine zu frühe Aufteilung der Schüler in verschiedene Schularten sieht
der Bildungsökonom kritisch. Eine höhere Bildung führt zu höherem Wohlstand.
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